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Kateřina Šedá
DER GEIST VON UHYST

Ein Gemeinschaftsprojekt von Kateřina Šedá und den Einwohnern von Uhyst
fotografische Begleitung: Michal Hladík

Dieses Projekt wird ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der
Galleria Franco Soffiantino www.francosoffiantino.it

Ort: Uhyst am Bärwalder See

"Jedes Dorf, jede Kleinstadt ist ein besonderer Organismus", schreibt die tschechische Künstlerin Kateřina Šedá, "eine geheimnisvolle Persönlichkeit, die sich unablässig wandelt. Seine innere Energie wird von allen Einwohnern bestimmt und lässt sich schwerlich in einem flüchtigen Blick erfassen. Der Geist eines Ortes ist ein schwer zu fassendes Etwas, und doch könnten viele Leute schwören, dass sie ihn schon einmal zu Gesicht bekommen oder gar körperlich gespürt haben. Wie sieht er jedoch aus? Wie kann man aus dem Innersten des Dorfes wenigstens andeutungsweise dessen Porträt zu Tage fördern?" Genau das ist das Ziel der tschechischen Künstlerin hier in Uhyst.

Kateřina Šedá ist von Dörfern, ihrer besonderen Atmosphäre und ihren Bewohnern fasziniert. Allerdings blickt sie nicht mit den Augen einer neugierigen Großstädterin auf das ländliche Treiben oder gar wie eine Volkskundlerin. Da sie selbst aus einem kleinen Dorf in Mähren stammt, begreift sie solche Mikrokosmen als ihr ureigenstes Revier. Für viele Künstler ist Problem ihrer Identität oder Herkunft, ob ethnisch, kulturell oder anderweitig speziell, ein erheblicher Motor ihres Schaffens. Kunstwerke dieser Art gehen weit über eine persönliche Nabelschau hinaus, denn in dieser Suche nach eigenen Wurzeln und Prägungen können sich viele Kunstbetrachter auch selbst wiederfinden. Das macht die große Stärke und Glaubhaftigkeit von derartigen Kunstprojekten aus.

Bereits als Kunststudentin in Prag mobilisierte Kateřina Šedá den kleinen Ort Ponětovice für eine spektakuläre Aktion, die dieses Dorf in ganz Tschechien und darüber hinaus bekannt machte. Ihr war aufgefallen, dass, wann immer ein Bewohner gefragt wurde, was denn das Besondere an dem Ort wäre, die Antwort kam: "Dort gibt es nichts." ("Nic tam není") Das wollte sie ändern und verordnete allen Bewohnern streng geplante Handlungsanweisungen, die diese nach einem genauen Zeitplan zu kollektiv befolgen hatten: Mal gingen alle gleichzeitig zum Laden und trugen ihre Einkäufe in durchsichtigen Tüten heim, dann wieder alle fegten unisono den Gehsteig vor ihren Häusern. Für nicht eingeweihte Besucher sah dies wie eine Art ländliches Ballett oder Theaterstück aus. Tatsächlich waren die Nachbarn von Ponětovice Akteure in einer Performance, die Spaß machte, etwas unbestritten Besonderes war und ein gewisses Gemeinschaftsgefühl auslöste. Wenn sie heute nach ihrem Dorf gefragt und sagen, dass es vor einigen Jahren wegen der Kunstaktion "Nic tam není" sogar im Fernsehen war, dann weiß jeder Tscheche sofort Bescheid.

Einige Zeit später wurde Kateřina Šedás eigener Heimatort Líšeň zum Schauplatz eines Kunstprojekts von. Bei "Over and Over" ging es um Zäune und Absperrungen, die überall auf der Welt in Dörfern mit viel Hingabe errichtet werden. Wie kann man diese privaten Einfriedungen einfach umgehen, was ist der kürzeste Weg von A nach B im Dorf? Die Künstlerin überstieg dort etwa 80 Zäune und schuf ihre eigenen Abkürzungen. Dann baute sie die betreffenden Zaunsfelder und Mauersegmente einschließlich aller im Umfeld befindlichen Gerätschaften auf der 5. Berlin Biennale auf. Wie eine kleine Burg im Kreis aufgestellt, symbolisierten diese Trennwände sowohl das menschliche Bedürfnis, sich voneinander abzugrenzen, aber zugleich auch den festen Zusammenhalt einer ländlichen Kommune.

In Uhyst arbeitet Kateřina Šedá das erste Mal in einer Gemeinde außerhalb Tschechiens; sie sieht Parallelen, aber auch Unterschiede. Der "Geist von Uhyst" soll von allen Bewohner gemeinsam dingfest gemacht werden. Dazu geht sie von Haus zu Haus und lässt sich mit nur einem Strich pro Person (und mit jeweils einem anderen Zeichengerät aufmalen), was für den Betreffenden das Besondere des Dorfes ausmacht. Auf diese Weise entsteht eine große Kollektivzeichnung, die alle , die mitgewirkt haben, am Schluss signieren. Das klingt zunächst abstrakt, soll aber auch unterhaltsam sein und Zusammengehörigkeit fühlbar machen. Wie 2005 in Ponětovice, hat auch diese Aktion etwas mit einem Spiel zu tun. Kateřina Šedá ist die Regisseurin des Ganzen und gibt die Regeln vor. Was allerdings im Rahmen dieser Regeln passiert, ist unvorhersehbar - dafür gibt es viel zu viele verschiedene Blickwinkel, aus denen die hier Ansässigen ihren Ort wahrnehmen. Zum Schluß wird dieser in allen Farben schillernde Geist von Uhyst auf eine Postkarte gebannt, kann in alle Himmelsrichtungen verschickt werden: Heimatgefühl, das sich normalerweise schwer in Worte fassen lässt, wurde in ein Gemeinschaftswerk übersetzt. Daran werden sich die Uhyster noch lange erinnern.


B i o g r a p h i e

1977 geboren in Brno, lebt und arbeitet in Brno - Líšeň und Prag

1995 - 1999 Hochschule für Angewandte Künste Brno

1999 - 2005 Kunstakademie Prag (bei Vladimír Kokolia)

E i n z e l a u s s t e l l u n g e n (Auswahl)
2008 1+1+1 =3, Culturgest, Lissabon (mit Robert MacPherson und Manfred Pernice)

2008 Kateřina Šedá (Colocation n. 4), La box, Bourges

2008 Kateřina Šedá, The Renaissance Society, Chicago

2007 Kateřina Šedá, Galerie in Taxispalais, Innsbruck

2007 Synonyma, Index, and tranzit collaboration: Kateřina Šedá, Index, Stockholm (mit Fritz Quasthoff)

2006 Arrivals > Czech Republic, Modern Art Oxford, Oxford

G r u p p e n a u s s t e l l u n g e n (Auswahl)
2009 Younger than Jesus, New Museum, New York

2009 Try to make a simple gesture, no matter how small!, Trafo Gallery, Budapest

2008 Manifesta 7, Bozen

2008 Social Diagrams, Künstlerhaus Stuttgart

2008 5th Berlin Biennial, Berlin

2008 For Every Dog A Different Master, Konsthalle Gavle, Schweden

2007 Documenta 12, Aue Pavillon, Kassel

 

 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
     
 
 

alle Bilder: Der Geist von Uhyst
 

Kateřina Šedá, Over And Over, 2008, action (Installation im Skulpurenpark, Berlin -- 5. Berlin Biennial), Foto Tomki Němec