Antje Schiffers & Thomas Sprenger und Künstlerinitiative myvillages.org BOXBERG PRODUCTS
Ort: Internationaler Dorfladen im Findlingspark Nochten/ Boxberg
Jedes Jahr aufs Neue geht es bei ÜBER TAGE, den Kunstprojekten für das Lausitzer Seenland, darum, Ideen zu entwickeln, die einen Mehrwert für alle Beteiligten haben; Ideen, in denen sich die Menschen vor Ort wiedererkennen und die für Neulinge den Reiz der Region erschließen. Das alles in ein oder mehrere Kunstprojekte zu verpacken, ist nur gemeinschaftlich lösbar.
Das Berliner Team Antje Schiffers und Thomas Sprenger verfügt über reiche Erfahrungen mit Kunst in dörflichen Regionen und kooperiert gezielt mit Einheimischen. So reisen die beiden bereits seit einigen Jahren durch viele Dörfer Europas und bitten Bauern, selbst Filme über ihre eigene Tätigkeit zu drehen. Sozusagen im Naturalienaustausch erhalten die Landwirte dann ein von den Künstlern gemaltes Porträt ihres Hofes. "Ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben", so lautet der Titel dieses Langzeitprojekts. Manche mögen sich fragen, wo da die Kunst ist? - abgesehen von dem Ölgemälde. Die Kunst steckt in der Begegnung mit den Menschen; darin, sie ernst zu nehmen und der "Außenwelt" mit poetischen und unterhaltsamen Filmen eine Botschaft zu übermitteln, für die sich ohne Kunst kaum jemand interessieren würde.
Auch das Schiffers & Sprenger-Projekt "Boxberg Products" hat dieses Ziel. Am Anfang standen Fragen: Was ist typisch für diese Gegend? Wie steht es um die Produktion im ländlichen Raum? Was würden die Einwohner gerne über die Grenzen der Lausitz bekanntmachen? Und wie könnte man gemeinsam einen nützlichen Gegenstand als charakteristisches lokales Produkt entwickeln?
Also gingen der Produktentwicklung lebhafte Gespräche und ein reger Ideenaustausch voraus. Über eins dieser Treffen schreibt Antje Schiffers in einem Brief: "Alle sind sich einig, dass das Produkt nichts sein soll, was bloß rumsteht. Was für Ressourcen, Werkstoffe und Bodenschätze gibt es, abgesehen von der Kohle? Frau Gruner vom Heimatverein Uhyst hat blaue Steine mitgebracht. Die blauen Steine sind ein Abfallprodukt der Glasherstellung, das unter anderem den Weg in die Ziegeleien gefunden hat und deshalb in älteren Mauern zu finden ist. Der Sand kommt ins Gespräch, als vorherrschender Boden und seine Verbundenheit mit der Glasindustrie.
Über den Sand kommt das Gespräch auf den Wald. Früher sei man mit Besuch in die Pilze oder zum Beerensammeln gegangen, was sollte man auch sonst machen?
Es wird beschlossen, dass das Boxberger Produkt mit Nahrungsmitteln zu tun haben soll. Frau Gruner führt das Leinöl ins Feld - es komme aus der Nachbarschaft, werde beim Fleischer in Uhyst lose verkauft und sei im übrigen besonders lecker. Der zweite Bürgermeister, Herr Trumpelt, sagt, ein wirklich lokales Nahrungsmittel sei das Uhyster Quirlfett. Wenn das Produkt mit Nahrungsmitteln verbunden sein solle, so müsse es ein Behältnis her. In welcher Form könne dieses lokale Identität spiegeln? Dann zeichnet Heinz Bittner vom CVJM Jugendklub einen Kühlturm in seinen Kalender. Die Kühlturmform findet allgemeines Wohlgefallen. Das neue Produkt soll also Kühlturmform haben, und es soll der Aufbewahrung von Nahrungsmitteln dienen, vorzugsweise Quirlfett oder Leinöl.
Mittlerweile hat der Glasbläser Dieter Tusche aus Rietschen die Kühltürme produziert und weil Quirlfett so schwer aus den Ecken des Glases zu kratzen ist, wird es Leinöl enthalten. Das "Boxberg Product" ist dank der Mithilfe aller geboren. Doch wie soll es nun unter die Leute gebracht werden? Hier hilft eine Idee, an der Antje Schiffers schon seit Jahren mit ihren Kolleginnen von der Künstlerinitiative "myvillages.org" arbeitet: Der "Internationale Dorfladen" (International Village Shop). Diese Läden, die eigentlich eher einfache Stände sind, gibt es bereits in einigen Gemeinden in Deutschland, den Niederlanden und England. Sie können temporär überall eröffnet werden und bieten regionale Produkte an, die eigens dafür produziert wurden. Mit einer "Kasse des Vertrauens" kann man diese Waren erwerben und als Mitbringsel verschenken oder selbst behalten. In diesem Sinne wird es am Findlingspark Nochten, dort, wo der momentan der größte Publikumsverkehr herrscht, einen "Internationalen Dorfladen" geben. Stolz werden dort die Boxberger Kühltürme in Flaschenform thronen und den Ruhm des Leinöls und des Lausitzer Seenlands mehren. Daneben gibt es Produkte aus den anderen Dörfern, so wie es auch die "Boxberg Products" in den anderen Läden geben wird. Und wie es bei der Markteinführung eines neuen Erzeugnisses üblich ist, wird ein Werbefilm produziert, der zeigt, wie am Bärwalder See alles begann und was das "Kühlturmleinöl made in Boxberg" so einzigartig macht.
B i o g r a p h i e
Antje Schiffers
1967
geboren in Heiligendorf bei Wolfsburg
1987 - 1995
Studium von Kunst, Germanistik, Philosophie Hochschule für Bildende Künste und TU Braunschweig
1997
Meisterschülerin an der Kunsthochschule Braunschweig
2007
Sprengel-Preis für Bildende Kunst der Niedersächsischen Sparkassenstiftung
Thomas Sprenger
1965
geboren in Braunschweig
1986 - 1994
Studium Wirtschaftsingenieurwesen TU Berlin, Diplom-Wirtschaftsingenieur
Antje Schiffers und Thomas Sprenger arbeiten seit 2004 zusammen.
A k t u e l l e P r o j e k t e
2009
International Village Kiosk, Boxberg (D), Lubrza (Pl), Springhornhof, Neuenkirchen (D), Grizedale Arts, Lake District (GB)
Die geheimen Monologe, Lentos-Museum, Linz
2008 - 2012
Fünf-Jahres-Plan Fanas, Museum in Bewegung, Prättigau (CH)
2008/2009
Im August, Stadtbild, Interventionen, Pulheim
Mein Bruder erzählt Gerüchte über mich, Ein Buch und eine Wandarbeit für die Carl-Zeiss-Oberschule in Berlin
2007 - 2009
Ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben, Zusammenarbeit mit europäischen Landwirten
E i n z e l a u s s t e l l u n g e n (Auswahl)
2009
Ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben, Städtische Galerie Nordhorn
2007
Großes Bauern-Theater, Secession, Wien
Antje Schiffers, Sprengel Museum Hannover
Unter Ingenieuren, Berlin / Siemens arts program
G r u p p e n a u s s t e l l u n g e n (Auswahl)
2008
Ich kann mir ja nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden, Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, Berlin
Vertrautes Terrain, ZKM Karlsruhe
2006
Dr´hoim isch dr´hoim, Kunstverein Ludwigsburg Bin Beschäftigt, GAK, Bremen
Why we left the village and came back, Shrewsbury Museum (mit myvillages.org)